Nachhaltigkeit: Freiwillig und ohne einheitliche Standards? Mitnichten!

Man könnte meinen so wie über Nachhaltigkeit von Unternehmen berichtet wird, handelt es sich um freiwillige Angaben. Dies allerdings ist ganz und gar nicht so.
 

Verpflichtung zur Berichterstattung über Nachhaltigkeit
Mit dem BilReG von 2004 wurden nicht-finanzielle Leistungsindikatoren Pflichtbestandteil in die Lageberichterstattung von Unternehmen. Um dieser Verpflichtung zu unterliegen muss es sich bei dem Unternehmen um:

eine große Kapitalgesellschaft (§ 267 HGB) oder
um einen Konzern handeln und
nicht finanzielle Indikatoren für das Verständnis des Geschäftsverlaufs oder der Lage des Unternehmens von Bedeutung sein.

Der Gesetzgeber nennt hier als Beispiel für nicht-finanzielle Leistungsindikatoren beispielsweise Umwelt- und Arbeitnehmerbelange (§ 315 I HGB).
Das heißt: Wenn bei einem Unternehmen im Geschäftsjahr Nachhaltigkeitssachverhalte
eingetreten sind oder sich dahingehend verändert haben, dass sie eine Bedeutung für Geschäft oder Lage jetzt oder in der Zukunft haben, muss darüber im Lagebericht Bericht erstattet werden.
Wenn also gewünscht ist gesetzeskonform zu berichten, muss, unter diesen Umständen, Nachhaltigkeit voll mit berücksichtigt werden.

Leitfäden und Standards
Nachhaltigkeit kann gut gemanaged werden und es kann gut darüber berichtet werden, denn Standards und Leitfäden gibt es, die das Thema Nachhaltigkeit zum Inhalt haben. Hier ein paar Beispiele:

Global Compact der UN: Kein Standard oder Leitfaden im eigentlichen Sinne, sondern viel mehr ein Set an Verpflichtungen, die bereits eine Richtung zeigen können.
http://www.unglobalcompact.org/AboutTheGC/TheTenPrinciples/index.html

G3 der Global Reporting Initiative: Weltweit anerkannte Richtlinie für die Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten von Unternehmen.
http://www.globalreporting.org/ReportingFramework/G3Guidelines/#5

KPIs for ESG von der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management: Leitfaden mit Anforderungen des Finanzmarktes an die Nachhaltigkeitsberichterstattung.
http://www.dvfa.de/files/die_dvfa/kommissionen/non_financials/application/pdf/KPIs_ESG_FINAL.pdf 

SA8000 von Social Accountability International: Leitfaden mit Anforderungen speziell für den Sozialen Sektor der Nachhaltigkeit.
http://www.sa8000.org/ anforderungen

EMAS oder ISO 14001: Standards für Umweltmanagement
http://www.iso.org/

ISAE 3000 der International Federation of Accountants: Guide zur Prüfung von Nachhaltigkeitssachverhalten.
http://www.ifac.org/IAASB/ProjectHistory.php?ProjID=0008

AA1000 Assurance Standard vom Institute of Social and Ethical AccountAbility: Guide zur Prüfung unter Berücksichtigung von Stakeholdern.
http://www.accountability.org.uk/uploadstore/cms/docs/Assurance%20Standard%20for%20
Web.pdf.

IDW PS 821 des Instituts deutscher Wirtschaftsprüfer: Grundsätze ordnungsmäßiger Prüfung oder prüferischer Durchsicht von Berichten im Bereich der Nachhaltigkeit
http://www.idw.de/idw/portal/n281334/n281114/n302246/index.jsp

Das heißt: Es besteht nicht nur eine unternehmerische Verantwortung Nachhaltigkeit zu managen, viele Unternehmen sind zudem verpflichtet über Nachhaltigkeit zu berichten. Und es gibt eine Reihe von Standards und Leitfäden, die dabei helfen können sowohl in der  Berichterstattung als auch im Management gute Leistungen zu erreichen.

Teil eines größeren Ganzen – Nachhaltigkeit als Aspekt der Unternehmensführung für eine angemessene Steuerung der suprasystemischen Integration und für nachhaltigen Geschäftserfolg

Nachhaltiges Handeln bietet für Unternehmen wesentlich mehr Chancen als Risiken und zahlt sich aus. Bei Geschäftsmodellen die nachhaltig ausgestaltet sind beispielsweise mag dies schnell offensichtlich sein, ebenso bei nachhaltiger Unternehmensführung die die mittel- und langfristige Bestandssicherung gewährleistet, aber wie ist es mit den ökologischen, sozial-gesellschaftlich und unternehmerisch-steuernden Aspekten?

Nutzen von Nachhaltigkeit
Die ökonomische Notwendigkeit von Nachhaltigkeit durch bestandssichernden Maßnahmen ist direkt offensichtlich. Die ökologischen, sozial-gesellschaftlichen und unternehmerisch-steuernden Aspekte der Nachhaltigkeit sind mit Sicherheit normativ zustimmungspflichtig, aber die ökonomische Notwendigkeit ist, obwohl vorhanden, meist nicht direkt transparent. Hier ein paar Beispiele zu den einzelnen Aspekten:

Licence to Operate: Gerade für Unternehmens außerhalb des Dienstleistungssektors von großer Bedeutung. Ein zu lockerer Umgang und eine zu kurzfristige Sicht auf evtl. Gesundheits- oder Umweltfolgen kann in Verboten und Lizenzentzug münden.

Kosteneinsparungen: Zum einen durch Einsparungen generell, bspw. bei Energie, Wasser oder Wärme, aber auch höhere Ressourceneffizienz in der gesamten Wertschöpfungskette, proaktive Nutzung von Recyclingpotentialen etc., geringer Verbrauch, geringere Materialintensität usw.

Verbrauchervertrauen: Produkte deren Produktion kein schlechtes Gewissen beim Verbraucher erzeugt werden stärker nachgefragt. Auch sind Verbraucher unter sonst gleichen Bedingungen eher bereit bei dem Unternehmen ihr Geld zu lassen das ihnen sympathischer und mit den eigenen Werten in Übereinstimmung erscheint und belohnen dies mit Wiederkaufsraten.

Attraktiver Arbeitgeber: Unternehmen die sich für Nachhaltigkeitsaspekte und insbesonders sozial-gesellschaftliche Aspekte einsetzen, sind attraktiver für Bewerber und die eigenen Mitarbeiter.

Verschiedenartigkeit nutzen: Gerade globale Unternehmen müssen die Verschiedenartigkeit Ihres Unternehmens erkennen und aktiv für sich nutzen. Nachhaltige Unternehmen nutzen die Performance-Chancen die sich in einem ganzheitlichen Diversity Management verbergen.

Erfolg durch Wissen: Nachhaltige Unternehmen investieren in ihre Human Ressources. Bspw. durch echtes Wissensmanagement um Wissen zu teilen, Wissen zu transferieren, zu erweitern und gezielt einzusetzen. Oder durch Maßnahmen um die Gesundheit der Mitarbeiter aufrecht zu erhalten.

Die Gemeinschaft sinnvoll unterstützen: Nur wenn das Umfeld stark ist geht es auch dem Unternehmen gut. Nachhaltige Unternehmen haben dies im Scope und unterstützen daher zielgerichtet bspw. Initiativen für gute Bildung.

Investorenvertrauen: Der Kapitalmarkt hat ein Auge auf Nachhaltigkeit – Unternehmen die sich hier engagieren sind attraktiv für Investoren. Auch wird die Berichterstattung über Nachhaltigkeit vermehrt eingefordert.

Brand protection: Starke und gute Marken können schnell abstürzen, wenn das Markenversprechen nicht mit dem Handeln des Unternehmens übereinstimmt.

Brand enhancement: Unternehmen die Nachhaltigkeit hingegen ernsthaft betreiben können ihre Marke positiv aufladen und verstärken, auch eine stärkere Differenzierung ist dadurch möglich.

Reputation: Allgemeiner verhält es sich genauso, zum einen kann eine nachhaltige Unternehmensführung Reputationsschäden von vornherein abwenden und die Reputation des Unternehmens sogar merklich steigern.

Fraud: Wirtschaftskriminalität wird nicht nur dort wirksam bekämpft wo es viele Kontrollen gibt. Korrektes und normenkonformes Verhalten ist Teil der nachhaltigen Unternehmensführung. Unternehmen die Nachhaltigkeit ernsthaft angehen können dolose Handlungen eher verhindern als andere.

Der Regulierung zuvor kommen: Dosenpfand und Nichtraucherschutz im Gastgewerbe sind nur zwei plakative Beispiele wie die Selbstregulierung der Marktteilnehmer versagt hat. Nachhaltige Unternehmen kommen, im Dialog mit ihren Stakeholdern, einer, wohlmöglich zu weit greifenden, Regulierung zuvor in dem sie selbst die Probleme erkennen und wirksam managen.

Alle diese Punkte sind für Unternehmen von belang, auch wenn je nach Unternehmen vielleicht in unterschiedlicher Ausgestaltung oder Intensität. Über diese ökonomische Notwendigkeit Nachhaltigkeit zu steuern hinaus, gibt es noch einen weiteren, eher normativen Aspekt, der zu betrachten ist.

Suprasystemischen Integration
Das System der Umwelt – hier als der weitergefasste, über Ökologie hinausgehende Begriff zu verstehen – auf unserem Planeten ist hochkomplex und erlaubt verschiedenste Sichtweisen wie der Mensch sich als Teil dieses System verstehen kann. Hier zwei gegensätzliche Positionen:

Anthropozentrismus
Diese antiholistische sichtweise versteht den Menschen als Zentrum und „Eigentümer“ der Umwelt. Bspw. erkennt der Anthropozentrismus die Natur nur in den Aspekten in dem sie dem Menschen nutzen stiftet. Eine ethische Verpflichtung des Menschen sein Dasein mit seiner Umwelt im Einklang zu verbringen exisitiert nicht. Eine Sichtweise dieser Prägung kann natürlich zu einem anderen moralischem Grundverständnis und zu anderen Handlungen führen, als wenn eine andere, moderatere Betrachtungsweise vorliegt.

Tiefenökologie
Das direkte Gegenteil ist die Tiefenökologie. Die Tiefenökologie ist biozentrisch (Achtung und Rücksicht für alles Leben) und kritisiert direkt die anthropozentrische Sichtweise und das Nutzungsinteressendiktat des Menschen. Laut der Tiefenökologie kann der Mensch nur in Balance mit der Umwelt langfristig bestehen.

Über beide Extrempositionen kann man urteilen wie man es für richtig hält. Keine der beiden Wege kann konsequent verfolgt werden: Totaler Anthropozentrismus führt die menschliche Gemeinschaft in den nächsten 100 Jahren in den Kollaps, Tiefenökologie würde einen so radikalen Umbau der Gesellschaft erfordern, der, auf globaler Ebene, nicht konsequent durchzusetzen wäre. Ein Weg in der Mitte ist hier viel eher gangbar. Eine erster Schritt in diese Richtung ist Erkenntnis: Das kollektive Bewußtsein braucht eine Normenerweiterung und muss sich selbst als Teil eines fragilen Systems verstehen.

Bedeutung für Unternehmen
Wie gehen Unternehmenslenker damit um? Sie sind Teil des Systems, aber Veränderungen auf globaler Ebene können sie nicht allein bewältigen. Welcher Verpflichtung müssen sich nachkommen? Die Antwort ist einfach, in der ersten Linie der Verpflichtung Rendite für ihre Kapitalgeber zu erwirtschaften. Aber wenn durch nachhaltige Unternehmensführung eine ebenso hohe oder höhere Rendite erzielt werden kann, dann ist es Teil der unternehmerischen Verantwortung nachhaltig zu handeln. Wenn es möglich ist die gleiche oder höhere Rendite zu erzielen und dabei ressourcenschonend und in Balance mit dem Umfeld, der Umwelt und den Anspruchsgruppen zu agieren ist eine Frage der unternehmerischen und auch der moralischen Verantwortung dies zu tun. Suprasystemische Integration bedeutet nicht nur sich als Teil des direkten Umfeldes zu verstehen, sondern als Teil eines größeren Systems und in diesem System harmonisch zu agieren.

Große Veränderungen auf globaler Ebene können Unternehmen allein nicht durchsetzen, aber sie können ein Teil davon sein, Vorreiter und Zeichen setzen. Zudem können sie signalisieren, dass sie verstanden haben ihren Beitrag zu leisten die Aufgaben der nächsten Jahrzehnte mit zu bewältigen und das sie verstanden haben welche ökonomische Vorteile im nachhaltigen Handeln stecken.